Samstag, 12. April 2014

Ehe, Ordensprofess und Priesterweihe: Endgültige Entscheidung

Wie soll sich denn ein Mann – oder besser: ein Jüngling – von 25 Jahren, dem kirchenrechtlichen Mindestalter, endgültig für den Priesterberuf mit allen seinen Konsequenzen entscheiden können? Fehlt es ihm für einen derartigen Schritt nicht an der nötigen Erfahrung? Und was, wenn ihm am Tag nach der Weihe die Frau seines Lebens begegnen würde…? Man kann eine ähnliche Frage auch im Hinblick auf junge Brautleute stellen: Gerade erst – oder nicht einmal – 25 Jahre alt, und schon ein Ja-Wort wagen, das dann binden soll, „bis das der Tod euch scheidet“? Vielleicht lernt man doch später, älter und reifer geworden, einen Menschen kennen, zu dem man eine weitaus tiefere Liebe empfindet, der eine bessere Ergänzung und größere Bereicherung für das eigene Leben darstellt als der Ehepartner – und was dann? 

Freilich fällt es schwer, ein Alter anzugeben, in dem diese Möglichkeit gänzlich ausgeschlossen wäre. Ist man mit 30, 40 oder erst mit 50 Jahren zu einer letzten Verbindlichkeit fähig? Oder überhaupt nie? Das ist die Meinung vieler unserer Zeitgenossen. Sie sagen: Weil wir uns im Strom der Zeit unablässig wandeln und unsere einzige Beständigkeit in der Unbeständigkeit liegt, deshalb macht die Vorläufigkeit allen Erkennens und Erlebens offensichtlich unsere Existenz aus. Und deshalb ist es eine illusorische Vorstellung, dass sich zwei Menschen ein für allemal in der Ehe miteinander verbinden oder dass jemand sich gültig für den geistlichen Stand mit seinen „ewigen Gelübden“, für den Priesterberuf mit seinen Zölibats- und Gehorsamsversprechen entscheiden kann. 

Die Argumentation gegen eine letztverbindliche Wahl erfährt auch soziologische Schützenhilfe: Früher, so sagt man, bestand noch ein sozialer Rahmen, der den Ehen und dem geistlichen Stand von aussen her Festigkeit verlieh, weil Scheitern damals als Schande galt und gesellschaftliche Ächtung nach sich zog. Mittlerweile ist das aber ganz anders geworden, und das Rad der geschichtlichen Entwicklung lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Glücklicherweise nicht, fügt man hinzu; denn die heutige Situation wird ja, indem sie die Freiheit der einzelnen Person betont, der Würde des Menschen viel besser gerecht als die repressiven Systeme alter Zeiten… 

Was ist dazu zu sagen? Zunächst ist es wahr, dass man in jungen Jahren – und ebenso in vorgerücktem Alter – manche unausgegorene Wahl treffen kann und wohl auch tatsächlich trifft. Erfreulich, wenn sie sich im nachhinein noch abändern und sogar rückgängig machen lässt. Oft aber liegen solche Entscheidungen, einmal gefällt, außerhalb unserer Verfügungsgewalt. Das gilt vor allem von den wichtigen Weichenstellungen in jungen Jahren, die naturgemäß den Radius unserer Wahlfreiheit einschränken und dadurch dem gesamten Leben seine Richtung geben. Als Beispiel möge ein reich begabtes Kind dienen, das sich im Alter von sechs Jahren durchaus noch zum bedeutenden Atomphysiker, zum Staranwalt oder zum Konzertpianisten entwickeln könnte. Wird es aber von den Eltern frühzeitig auf die musikalische Bahn geführt und setzt es selbst aus freiem Willen seine Zeit und Energie für die Perfektionierung des Klavierspiels ein, dann schwinden die anderen Möglichkeiten nach und nach dahin, und mit 20 Jahren ist es für die Karriere als Atomphysiker oder Anwalt einfach zu spät. 

Ohne Zweifel ist es der Wille des Herrn unseres Lebens, dass wir die Freiheit, die er uns eröffnet, in fruchtbarer Weise nutzen. Das aber kann nicht gelingen, wenn wir uns alle Möglichkeiten offenlassen möchten und dafür, anstatt einen Weg einzuschlagen, auf der Stelle stehenbleiben. Sicherlich erfordern wichtige und folgenreiche Entscheidungen eine gute Überlegung, kompetenten Rat und vor allem Licht und Kraft von oben. Doch ist es nicht einzusehen, weshalb ein junger Mensch noch nicht dazu befähigt sein sollte. Gerade wenn er sich um Gottverbundenheit bemüht, sich von erfahrenen Personen etwas sagen lässt und die Geister, welche ihm Seele und Herz bewegen, aufrichtig prüft, sollte er es bis zu einem hohen Gewissheitsgrad bringen können, dies insbesondere in Dingen, die für die Sinngebung des ganzen Lebens von Gewicht sind. Also vor allem im Bereich der Wahl des Berufes und des Partners. 

Nicht der Mangel an Alter und Lebenserfahrung ist das eigentliche Problem, sondern die fehlende Vorbereitung – man denke an die Art der Ehevorbereitung in vielen kirchlichen Einrichtungen! –, die Unüberlegtheit und das geringe Vertrauen in Gottes Vorsehung. Wer sich von Ihm geführt weiß, dem ist klar, dass ihm nicht nach erfolgter Diakonenweihe (die ja den künftigen Priester bereits zum Zölibat verpflichtet) die „Frau seines Lebens“ begegnen oder nach der Hochzeit ein besserer Partner über den Weg laufen wird. Und wie herrlich ist es doch, wenn gerade ein junger Mensch schon Gott seine ganze Freiheit schenkt… 

P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad



Hinweise:


- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers

- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
- Foto: Ablegen des Ordensversprechens; Benediktinerabtei Le Barroux (F)

6 Kommentare:

  1. Natürlich kann ein Priester nach erfolgter Diakonenweihe die "Frau seines Lebens" begegnen !
    Natürlich kann man nach der Hochzeit einen "besseren" Partner finden !

    Das ist ja nicht die Frage !

    Die Frage ist nur, dass "man" ein Versprechen gemacht hat... (Zölibat / Treue).
    Aber die Liebe und das Herz haben keine Grenzen.... - und so ist Gott.

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    1. Die Frage ist nur, dass "man" ein Versprechen gemacht hat... (Zölibat / Treue).

      Das ist eben dann keine Frage mehr, sondern es ist eine einmal für immer getroffene Entscheidung, eine Hingabe des Lebens. Es geht darum, diese einmal im Angesichte Gottes getroffene Entscheidung in Treue zu leben, in grenzenlosem Vertrauen und grenzenloser Hingabe.

      Ich weiß also dann, dass alles andere und das Brechen des Treueversprechens Versuchung und ein Tabu ist und dem Vertrauen in Gott Grenzen setzen würde. Ja, so ist Gott.


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    2. "Brechen des Treuesprechens" ... Warum sprechen Sie denn davon ?
      Man kann treu bleiben und grenzenlos lieben.

      „Gott, so scheint es mir, hat mich Ihnen gegeben; dies wird mir mit jeder Stunde mehr zur Gewissheit."
      "Mein Verlangen, Sie zu lieben und von Ihnen geliebt zu werden, hat kein geringeres Maß als die Ewigkeit."
      -> Hl. Franz von Sales zu Hl.Franziska von Chantal.
      War ihre Liebe ein Tabu ? Eine Versuchung ?

      Wovor haben Sie denn Angst ?

      Mfg,
      F.L

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    3. Warum ich von "Brechen des Treueversprechens" spreche?

      Nun, in diesem Kontext geht es genau um das: die Treue zum Zölibats-/ Ordens- bzw. Eheversprechen, an das man gebunden ist, und die Unmöglichkeit, dieses Versprechen zu brechen. Allerdings muss ich mich korrigieren: Das "Brechen des Treueversprechens" ist keine Versuchung mehr, sondern bereits Tabubruch, also Sünde.

      Zu Ihrer "Frage":
      Selbstverständlich: Man kann treu bleiben und grenzenlos lieben.

      Aber Sie wechseln nun in eine andere Kategorie: die "Freundesliebe" oder "geistliche Freundschaft".

      Von dieser Kategorie ist hier im Kontext nicht die Rede. Hier geht es um die Gefährdung des einmal für immer gegebenen Versprechens und (un-)möglicher Untreue.

      Ich möchte nochmals auf Ihren ersten Kommentar zurückzukommen:

      Ein Diakon und späterer Priester kann nach erfolgter Diakonenweihe gerade nicht der "Frau seines Lebens" begegnen. Und nach der Hochzeit kann man gerade keinen "besseren" Partner mehr finden, weil nämlich nur der Eine DER richtige und deshalb der beste Partner ist. Das würde doch dem Vertrauen auf Gottes Vorsehung zuwider sein, ihm Grenzen setzen.

      Bei der Freundesliebe ist die Treue nicht in Gefahr. Das Tabu bleibt bestehen und wird grundsätzlich nicht infrage gestellt. Auf Franz von Sales und Franziska von Chantal angewendet: Die Liebe zu Franziska stellt bei Franz von Sales nicht die Berufung zum Priestertum und das Versprechen des Zölibats infrage. Hätte Franz von Sales diese Versuchung verspürt, so hätte er den Umgang mit Franziska gemieden und sich von ihr zurückgezogen. Aber darum ging es eben bei dieser Art von Liebe nicht.

      Ebenso Franziska von Chantal: Hätte sie befürchten müssen, dass Franz von Sales seiner Berufung untreu wird, wenn er mit ihr in Kontakt steht, so hätte sie sich von ihm zurückgezogen. Beide wussten um die Heiligkeit des Versprechens. Aber durch ihre gegenseitige (Freundes-)Liebe wurde dies nicht infrage gestellt - ebensowenig wie das spätere Ordensversprechen der hl. Franziska. Sie sehen das auch daran, dass Franz von Sales Franziska mit "Schwester" oder auch mit "Tochter" anspricht.

      Wieso unterstellen Sie mir Angst? Wovor sollte ich denn Angst haben? Nein, ich sehe keinen Anlass dazu, Angst zu haben. Im Gegenteil. Sie müssen nur die Kategorien auseinanderhalten, dann wird Ihnen klar, dass Sie hier zwei verschiedene Dinge in einen Topf werfen.

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  2. Die Aussagen bezüglich des Vertrauens auf Gottes Vorsehung sind sicher sehr richtig.

    Man könnte da an einen Satz von Augustinus denken, den man etwas umformen und auf die Spitze treiben kann, indem man sagt:

    Wenn Du schon befiehlst was Du willst, dann gib gefälligst auch das was Du befiehlst.

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    1. Klasse, ja, genau das ist es.
      Ganz wesentlich: Wir müssen um die Hilfe Gottes bitten. Ich verweise da auf eine Anfrage von Johannes, ob denn diejenigen, die scheitern, Gottes Hilfen und Angebote angenommen haben. Denn aus uns selbst vermögen wir nichts.

      Du beziehst Dich offensichtlich auf den Ausruf des hl. Kirchenvaters Augustinus (Bekenntnise 10. Buch):

      Da quod iubes, et iube quod vis!, übersetzt:
      Gib, was du befiehlst und dann befiehl, was du willst!

      Das "gefälligst" lassen wir mal weg. Es ist hinzugedichtet, ebenso wie das "wenn - dann"... ;-)

      Im Kontext sagt Augustinus:

      "Meine ganze Hoffnung beruht allein auf deinem übergroßen Erbarmen. Gib, was du befiehlst, und befiehl, was du willst. Du gebietest uns Enthaltsamkeit, "und da ich wußte", sagt die Schrift, "daß niemand enthaltsam sein kann, wenn nicht Gott es verleiht, so war auch das selbst Weisheit, zu wissen, von wem dieses Geschenk komme". (Weish. 8,21)"

      Einige sehr schöne Gedanken zu dieser flehenden Bitte des hl. Augustinus und der Unterschied zu der Auffassung des Irrlehrers Pelagius, der der Überzeugung war, der Mensch müsse und könne allein aus sich und ohne die Gnade Gottes das Gute wirken, findet sich in 30Giorni 09/2009.

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